Von Zeeland nach Gebhardshain - Medizinstudentin aus den Niederlanden im Praxisjahr im Westerwald
Kreis Altenkirchen. Der Weg von Deutschland nach Zeeland in den Niederlanden ist eigentlich eine Einbahnstraße. Malerische Städtchen, endlose Strände und (Wasser-)Sportmöglichkeiten, dazu Frikandel und Pommes Spezial – Urlauber, was willst du mehr? Dass es aber auch in die andere Richtung gehen kann, beweist dieser Tage ein Beispiel aus dem Kreis Altenkirchen. Dolores Koorndijk aus dem wunderschönen Middelburg lernt gerade sechs Wochen lang Land und Leute kennen. Vor allem aber die Arbeit in einem bestimmten Berufsbild, denn die Medizinstudentin absolviert einen Teil ihres Praktischen Jahres in der Gebhardshainer Gemeinschaftspraxis.
Basis für den Austausch ist bzw. war das ambitionierte Projekt „Medizin neu denken“ der Universität Siegen. Das ist in dieser Form zwar Geschichte, dennoch ist es nach wie vor möglich, Nachwuchsmediziner aus den Niederlanden in die Region zu holen. Das ist einzig und allein durch das weiterhin große Engagement von Prof. Dr. Veit Braun möglich. Der Chefarzt der Neurochirurgie am Jung-Stilling-Krankenhaus in Siegen pflegt beste Kontakte zur Erasmus-University Rotterdam (genauer: das EMC Erasmus Medical Center), wo die Teilnehmenden für das Praktische Jahr in den Kreisen Altenkirchen und Olpe „rekrutiert“ werden. „Mir macht das großen Spaß, auch weil ich einen Sinn dahinter sehe, schließlich nimmt die Zahl der Hausärzte immer weiter ab“, sagt Braun zu seiner Motivation.
Für Dolores Koorndijk, die dank ihrer deutschen Mutter keinerlei Verständigungsschwierigkeiten hat, sind es nicht nur landschaftlich ganz neue Eindrücke, kommt sie doch aus einem gänzlich anderen Gesundheitssystem. „Den Unterschied zwischen privat und gesetzlich Versicherten kennen wir ja nicht“, erzählt sie. Doch das ist fast noch eine Randnotiz, blickt man auf das große Ganze: Das Nachbarland verfügt über derzeit 95 Krankenhäuser. Im von der Bevölkerung her vergleichbaren Nordrhein-Westfalen sind es 362. „Und die Lebenserwartung in den Niederlanden liegt zwei Jahre über der in Deutschland“, so Prof. Braun. Vieles in der Versorgung werde dort zentral in den Krankenhäusern geleistet, so gibt es beispielsweise keine niedergelassenen Fachärzte.
Die junge Niederländerin wird aber nicht nur Einblicke in ein Gesundheitssystem im Wandel erhalten, sondern vor allem auch in den Alltag deutscher Hausärzte. Dafür bietet die Gebhardshainer Gemeinschaftspraxis, zusammen mit den Drs. Theis in Wissen Partner bei diesem PJ-Programm, beste Voraussetzungen. Die Teilnahme ist für die heimischen Mediziner eine Art Selbstverständlichkeit: „Aus- und Weiterbildung liegt uns sehr am Herzen. Das sind enorm wichtige Investitionen“, betonte Dr. Erik Becker stellvertretend für das gesamte Team. Und so kann Dolores Koorndijk nicht nur die berühmten Blicke über die Schultern werfen, sondern bei der Diagnostik und Behandlung auch selbst tätig werden.
Von Seiten der Kreisverwaltung wird das Projekt aus der Regionalentwicklung unterstützt. Deren Leiterin Jennifer Siebert freut sich über die Kontinuität: „Wir sind erst einmal froh, dass Prof. Braun noch mit so viel Enthusiasmus bei der Sache ist. Und natürlich erhoffen wir uns langfristig, dass die Eindrücke der Studierenden so positiv sind, dass sie sich später auch eine berufliche Tätigkeit im Kreis vorstellen können.“